Als Teenager habe ich meine Schwester mit „How’s your guts?“ begrüsst. Davor brauchten wir „How goes it?“ Nicht weil es eine buchstabengetreue Übersetzung von „Wie geht’s?“ ist, sondern damit wir uns lustig über unsere Stiefmutter machen konnten. (Sie kommt aus dem Mid-West, wo alle Leute auf diese Weise sprechen.)
Ich bin ein Zwilling und sollte wahrscheinlich eine spezielle Sprache mit meinem Zwillingsbruder haben. Bis 2008 hatten wir aber keine. In dem Jahr fingen wir an, unsere spezielle Begrüssung zu brauchen: „How’s your tree?“ Es war Summer und Ivo und ich haben Lucas besucht vor einem Familienfest. Er hat uns am Flughafen auf dem Heimweg von einem langen Wochenende mit seiner Freundin abgeholt. Wir haben uns mit unserem Gepäck abgemüht, als er plötzlich stehen blieb. „My tree!“ stöhnte er. Vor seinem Haus stand ein kleiner Baum mit einem einzigen Blatt, das einsam zitterte. Er rannte in den 3. Stock, um zwei grosse Flaschen Wasser zu holen, und begoss ihn grosszügig. „Poor tree“ sagt er, als er den Baum untersucht.
Der Baum wird von der Stadt gepflanzt. Die Pflanzer haben nicht tief genug begraben und haben zu wenig oft gegossen. Deshalb „musste“ Lucas ihm jeden Tag etwa 5 Liter Wasser geben. Das lange Wochenende hatte dem Baum geschadet und dazu meinem Bruder, des Baums Betreuer.
Nach dieser herzerwärmende Szene haben Ivo und ich jedes Mal Lucas mit „How’s your tree?“ begrüsst. Es war eigentlich keine schlechte Idee. Nachdem Lucas zugegeben hat, dass es dem Baum gar nicht gut geht, schienen alle anderen Nachrichten irgendwie besser oder auf jeden Fall weniger schlecht.
Leider dieser Herbst kam dieser Gruss zur Ende. Die Antwort lautet „Awwww, it’s dead.“ Basta. So ist es. Trotz seiner Pflege und Liebe starb der Baum dieses Jahr. Es wäre den meisten New Yorkern gar nicht wichtig, aber die unerwartete Erscheinung der Pflanze hat ihm Freude gemacht. Als er einen Sommer in London verbracht hatte, fand er das Grün in der Stadt beeindruckend. Die Idee, dass er seine eigene grüne Ecke in seinem Betondschungel haben könnte, hat ihn begeistert.
Jetzt haben wir keine spezielle Begrüssung. Nach seinem Job zu fragen bringt nur Ärger, genauso Fragen nach seinen Mitbewohnern. Glaubt doch Betty Smith nicht. Trotz grösster Bemühungen wächst ein Baum in Brooklyn nicht.